Parallelen einer Velotour mit CDKL5




Die Idee
Am Freitag, 02.06. und am Samstag, 03.06.2017 fand in Rom der Internationale CDKL5 Kongress statt. Betroffene Familien, Ärzte, Therapeuten und Forscher nahmen an diesem Kongress teil, um Erfahrungen auszutauschen, über die Forschungsarbeit zu erzählen, therapeutische Ansätze vorzustellen und einander besser kennen zu lernen.

Das Ziel der Schweizer CDKL5 Vereinigung ist es, in der Öffentlichkeit diese sehr seltene Krankheit bekannter zu machen und für die Forschung Geld zu sammeln. Bei Letzterem geht es auch darum, unseren Kindern durch neue therapeutische Ansätze mehr Lebensqualität zu geben.

Da Rom von Zürich ca. 1000km entfernt ist und sportliche Aktivitäten ("Run for CDKL5" und "Tri for CDKL5") zur Erreichung unserer Ziele dienen sollen, kam die Idee auf, mit dem Fahrrad zum Kongress zu fahren.

Die Strecke wurde zum Gedenken an alle CDKL5 Betroffenen Familien zurückgelegt und gab auch ein wenig das Leben mit dieser Krankheit wieder.
Die vielen beschwerlichen Aufstiege, die langen nicht mehr zu Ende gehenden Geraden und das funktionieren auf dem Fahrrad trotz der Müdigkeit wiederspiegelten die schweren Stunden. Das detaillierte Auseinandersetzen mit der Strecke und die vielen Eindrücke aus der Natur bei langsameren Fahrt ergaben die inspirierenden und intensiven Momente mit der Krankheit.


Die Tour im Detail
Erste Etappe: Von Bisikon nach Como

Erst eine Woche vor der Abfahrt entschieden Matthias und ich, dass wir statt über den Gotthard oder San Bernardino, über den Splügenpass die Alpen überqueren. Die erste Parallele zum Leben mit CDKL5 war somit bereits vor der Abfahrt gegeben. In einem Tag mit CDKL5 weiss man nicht, was der Tag bringt und was man alles erreichen kann. Es kann sein, dass die Therapien super verlaufen oder das es Momente des Glücks gibt. Leider kann aber auch ein epileptischer Anfall oder der Beginn einer Infektion den Tag so kräftig durcheinander machen. Oft sind es Entscheidungen innert Sekunden, welche man treffen muss, die den weiteren Tagesverlauf komplett auf den Kopf stellen.
Den ersten Teil der Etappe absolvierten wir äusserst locker und bis zum Walensee zu viert. Ab Walenstatt waren Matthias und ich nun bis Rom zu zweit unterwegs. Der Anstieg von Thusis bis zum Dorf Splügen absolvierten wir in gemütlichem Tempo im Wissen um die vielen Kilometer, die noch folgen werden. Nach einer kurzen Pause wurden dann die entscheidenden 600 Höhenmeter bis auf den Pass unter die Räder genommen. Auf dem Pass angekommen verpflegten wir uns und bereiteten uns auf die Abfahrt bis Chiavenna vor. Wir dachten, von nun an noch alles locker am Lago di Como entlang bis nach Como zu radeln. Denkste: Der Gegenwind erforderte nochmals zusätzliche Kraft und da ist sie wieder: Die Parallele zu CDKL5... Man glaubt an das neue Medikament oder an einen neuen Lernerfolg und ohne Vorankündigung muss wieder ein Rückschlag hingenommen werden. Wie auch im Leben mit unseren Kindern kamen wir dann mit einem grösseren Effort doch noch und etwas verspätet am Etappenziel an.
Zweite Etappe: Von Como nach Bologna

Unser Plan war es, die Stadt Milano im Osten zu umfahren und somit ziemlich lange mit der Überquerung des Po´s zu warten.
Bereits nach einer halben Stunde auf dem Fahrrad stellte es sich heraus, dass die Navigation in diesem dicht besiedelten Gebiet extrem schwierig wird. Sofort kamen mir die Erinnerungen auf, wie CDKL5 sich oft als Irrgarten für die richtige Entscheidung entpuppt: Welche Therapie könnte noch etwas mehr bringen? Gibt es noch ein weiteres Epi Medikament, dass nützen könnte? Haben wir das richtige Formular für die IV?
Dank den elektronischen Hilfsmitteln gelingt es uns aber einigermassen die Route zu finden und mehr oder weniger den direkten Weg nordöstlich der Autobahn nach Bologna zu halten.
Die äusserst flache Etappe durfte man nie auf die leichte Schulter nehmen, denn als wir den Po überqueren wollten, war die Brücke wegen Bauarbeiten gesperrt. So suchten wir einen neuen Weg und dachten immer daran, dass wir nicht zu spät und nicht in die Nacht hineinfahren wollten. Nach einigen Umwegen in Modena fanden wir die Strasse nach Bologna unserem zweiten Etappenziel, welches wir in der Dämmerung erreichten.
Zusammen mit der CDKL5 Forscherin, Claudia Fuchs durften wir leckere lokale Köstlichkeiten zum Nachtessen probieren. Gemütlich liessen wir den zweiten Tag ausklingen.
Dritte Etappe: Von Bologna nach Perugia

Diese dritte Etappe versprach Abenteuer, Geschwindigkeit und schöne Landschaften über den Apenin. Es wurde ein Abenteuer in einer schönen Landschaft, aber ohne Geschwindigkeit werden sollte.
Die ersten 100 Kilometer pedalten wir wie geplant ab und erreichten schnell unsere Zwischenziele und die beiden Passhöhen. Als wir uns auf die Abfahrt freuten und endlich unsere Beine entspannen wollten, wurde uns beim nächsten Hindernis wieder klar vor Augen geführt, dass wir für die CDKL5 Familien fahren. Bei einem Gegenanstieg bemerkten wir ein herannahendes Gewitter und wir wussten anhand der Fahrtrichtung, dass wir nass werden würden. Wir fuhren noch weiter bis wir die ersten Tropfen spürten und suchten für eine halbe Stunde unter einer Brücke Unterschlupf. Als das Gewitter vorüber war, stiegen wir wieder auf und wollten nun endlich die Abfahrt geniessen. Dies konnten wir bis zu einer Strassensperre auch tun, bei welcher wir vor der Wahl standen, entweder die Autobahn oder die wegen Steinschlag gesperrte Strasse zu befahren.
War es nun vorbei? Nach so vielen Kilometer aufgeben?
Nein - Denn wir waren für die CDKL5 Familien unterwegs und darum ignorierten wir die Achtung Steinschlag Tafel und fuhren trotzdem weiter... Hatten wir das auch schon? Trotz aller Nebenwirkungen haben wir auch schon Medikamente unseren Kinder verabreicht... Wir improvisierten - Fuhren mit unseren Rennrädern eine eher für Mountain Bikes geeignete Strasse.
Als wir ca. 70 Kilometer vor unserem Etappenziel waren, realisierten wir, dass wir höchstwahrscheinlich nicht mehr bei Tageslicht ankommen werden. Wir entschieden uns nochmals kräftig für einen furiosen Schlussspurt zu verpflegen und traten nachher voll in die Pedalen.
Vierte Etappe: Von Perguia nach Rom

Am letzten Tag wurde Umbrien noch fertig durchquert und in Rom das Kongress Hotel angesteuert.
Die ersten Kilometer in der Morgensonne konnten gut absolviert werden und an den Kreuzungen war jeweils schnell klar, in welche Richtung es weiter geht: So führen bekanntlich alle Wege nach Rom!
Schon früh machte es sich bemerkbar, dass der letzte Tag sehr heiss werden sollte und wir achteten sehr stark auf unsere Drinkvorräte.
Praktisch alle 30 Kilometer wurden die Bidon wieder gefüllt. In der Mitte der letzten Etappe mussten wir nochmals eine Steigung von ca. 200 Höhenmeter überwinden. Diese Steigung haben wir trotz grosser Hitze gut überstanden. Die Strecke wurde immer hügeliger und die schattigen Abschnitte immer seltener. Wir endschieden uns, die Pausen etwas länger zu gestalten, um noch mehr Flüssigkeit und Nahrung aufnehmen zu können.
Ca. 30 Kilometer vor dem Ziel verpassten wir eine Abzweigung, was wir erst kurz vor Rom bemerkten. Unser Plan war, dass wir nicht mitten durch die Stadt fahren wollten, sondern etwas aussenrum. Dies war nun leider nicht mehr möglich und so waren wir mitten im Feierabendverkehr in Rom unterwegs. Die letzte Parallele zu CDKL5.

Schliesslich beendeten wir die letzte 190 Kilometer lange Etappe am frühen Abend mit einem tollen Empfang. Mit dabei auch die beiden CDKL5 Kinder Esther und Michelle!